Macht
In allen Formen der Vergesellschaftung, auf allen Ebenen und in allen sozialen
Beziehungen gibt es Macht. Max Weber definierte Macht als "jede Chance,
innerhalb einer sozialen Beziehung, den eigenen Willen auch gegen Widerstreben
durchzusetzen" (
Weber
1972: 28). Von den vielen Machtdefinitionen in den Sozialwissenschaften
war Michel Foucaults Machtanalyse in den entwicklungsbezogenen Arbeiten der
letzten Jahre besonders einflussreich. Eine sorgfältige Machtanalyse muss
sich nach Foucault Macht nicht als etwas vorstellen, das zentral gesteuert wird,
das die einen haben und die anderen nicht, in der es (nur) Schuldige und Unschuldige
gibt. Sie verfügt über keine globale Logik, die sich gesteuert von
oben nach unten durchsetzt: "Man muss vielmehr eine aufsteigende Analyse
der Macht machen, d.h. von den unendlich kleinen Mechanismen ausgehen, die ihre
Geschichte, ihren Ablauf, ihre Technik haben und dann ergründen, wie diese
Machtmechanismen von immer allgemeineren Machtmechanismen und von Formen globaler
Herrschaft besetzt, kolonisiert, umgebogen, transformiert, verlagert, ausgedehnt
usw. wurden und werden." (
Foucault
1978: 83). Macht wird in Diskursen erworben und ausgeübt.
Kultur ist mit Macht, Wissen und gesellschaftlichen Partizipationschancen aufs
engste verbunden. Die Wirkung von Kultur im Entwicklungskontext kann eigentlich
nur in diesem Dreieck sinnvoll bestimmt werden. Eine armutsorientierte Entwicklungspolitik
kann dabei helfen, Räume zu schaffen, in denen sich marginalisierte Gruppen
besser artikulieren können. Andererseits wird Kultur als Karte im
strategischen Spiel handelnder Akteure um Definitions- und Gestaltungsmacht
benutzt und zwar umso wahrscheinlicher, je größer der ihr zugestandene
Spielraum ist. Hier besteht eine Gefahr für alle kulturalistisch argumentierenden
Ansätze. Zentral für die Bestimmung der Rolle von Kultur im Entwicklungskontext
ist deshalb die Sensibilisierung für das manchmal ganz offene, meist aber
sehr subtile Zusammenspiel von Wissen, ökonomisch und politisch ausgeübter
Macht, und daraus entstehenden bzw. verweigerten Partizipationsmöglichkeiten
für die unterschiedlichen Akteure. "Jede kultursensible Entwicklungszusammenarbeit
ist zum Scheitern verurteilt, wenn sie Kultur nicht auch als Ausdruck (als Kampfschauplatz)
von Machtverhältnissen interpretiert" (
Faschingeder
et al. 2003: 18). Dieser Umstand spricht für eine Stärkung rechtsorientierter
Ansätze und rechtsbasierter institutioneller Rahmenbedingungen für
das demokratische Aushandeln von Konflikten im öffentlichen Raum (vgl.
Elwert 1996).
Machtfragen spielen bei vielen Begriffen im Glossar eine wichtige Rolle, so
unter anderem bei
Aushandlungsraum,
Empowerment,
Interkulturalität,
Kultur
als ideologische Kontrolle,
Meistererzählung,
Projektarena,
Marginalisierung,
Armut.
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Management, interkulturelles
Während die sozial- und kulturwissenschaftliche Debatte in der Renaissance
des
Kulturalismus
die interessegeleiteten Konstruktionen vermeintlicher kultureller Identitäten
sieht, gilt dies nicht für den Bereich der (wissenschaftlichen) Managementliteraturen
zur interkulturellen Kommunikation und zum interkulturellen Management. Im Gegenteil
hat sich dort ein Kulturalismus etabliert, der sich mit hohen Auflagen, einer
Flut von Trainingsprogrammen und Workshops und einem erstaunlich hohen Organisationsgrad
gegenüber jedweder Kritik behauptet. Ein markanter Unterschied zu aktuellen
sozial-, kulturund geisteswissenschaftlichen Debatten zum Thema besteht in der
strikt anwendungsbezogenen Ausrichtung der Ansätze.
In der Mehrzahl wird versucht, eine Kategorisierung und Operationalisierung
kultureller Wertefelder und Identitäten im Sinne eines interkulturellen
"tool-kit" vorzunehmen. Der interkulturell agierende Manager oder
Projektexperte soll durch ein gezieltes Training für die essentiellen kulturellen
Wertefelder seiner Partner sensibilisiert werden. Die Kenntnis dieser Wertefelder
soll die Zusammenarbeit erleichtern bzw. eine interkulturelle Handlungskompetenz
erst erschließen. In der deutschen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit
haben, neben dem Klassiker Edward T. Hall (
1969,
1983;
Hall/Hall
1983), vor allem das
Kulturdimensionen-Modell
des niederländischen Sozialwissenschaftlers und Unternehmensberaters Geert
Hofstede (
1980,
1997)
und das vom Regensburger Psychologen Alexander Thomas vorgelegte
Kulturstandardkonzept
(
1996,
1999)
die Diskussion über die Zusammenhänge zwischen kultureller Identität
und politischem und ökonomischem Handeln bestimmt (vgl.
Hüsken
2004; vgl. auch
Schlamelcher
2003).
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Marginalisierung
Marginalisierung ist ein Prozess, bei dem sozial schwächere Bevölkerungsschichten
an den Rand (engl. margin) der Gesellschaft gedrängt werden und dadurch
nicht mehr am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.
(
Wikipedia
2004;
Internetquelle).
In der EZ-Debatte betrifft dies insbesondere die Gruppe der
indigenen
Völker: Die Erfahrung von Unterdrückung, Marginalisierung
bzw. Diskriminierung ist eines der für das politische Selbstverständnis
indigener Völker konstitutiven Kriterien.
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Marketing
Versuche zahlreicher Unternehmen, Produkte oder auch Produktwerbung weltweit
anzugleichen, sind in der Vergangenheit häufig daran gescheitert, dass
kulturspezifische Gewohnheiten, Geschmäcker und Wahrnehmungsformen nicht
hinreichend berücksichtigt worden sind. So sind heute selbst Weltmarken
keine Weltmarken im Sinne einer universalen Standardisierung mehr:
Eine Marlboro in Polen liegt bezogen auf den Teer- und Nikotingehalt erheblich
über dem Niveau ihres US-amerikanischen Gegenstücks, ein Weichspülmittel
wie Vernell enthält länderspezifisch unterschiedliche Geruchsstoffe,
und der Nescafé in Italien ist beispielsweise wesentlich schärfer
gebrannt als der in England. Auch der Musiksender MTV musste Abschied von einem
einheitlichen Konzept nehmen und strahlt mittlerweile 28 regionalspezifische
Sendungen aus.
Derartige Unterschiede bestehen vor allem deshalb, weil sich in den einzelnen
Kulturen über Jahrhunderte hinweg sehr unterschiedliche Erfahrungs- und
Wahrnehmungswelten herausgebildet haben, die noch heute in der einen Kultur
als normal erscheinen lassen, was in einer anderen Kultur vollkommen unakzeptabel
wäre (vgl. z. B.
Fischermann
2000;
Internetquelle).
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Master Narrative
Meistererzählung
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McDonaldisierung
George Ritzer überträgt Max Webers um 1900 aufgestellte Bürokratie-Theorie
der fortschreitenden formalen Rationalisierung auf Veränderungen der westlichen
Industriegesellschaft am Ende des 20. Jahrhunderts. Die Fast-Food-Kette McDonalds
dient ihm dabei als Metapher für zunehmende Formalisierungs- und Gleichschaltungstendenzen
innerhalb der Gesellschaft unter dem Deckmantel der Rationalisierung. In Anlehnung
an Weber funktioniert diese "McDonaldisierung" entlang von vier Kriterien
(vgl.
Zülch
2004: 33 ff.):
- Effizienz (das Streben nach der optimalen Methode zur Erreichen des gesteckten
Ziels; im Falle von McDonalds also das Stillen des Hungers unter optimaler
Ausnutzung der Faktoren Geld und Zeit);
- Berechenbarkeit (die Beurteilung einer Ware erfolgt ausschließlich
anhand von quantifizierbaren Kriterien);
- Vorhersagbarkeit (die Qualität von Gütern und das Verhalten
von Menschen werden standardisierten Regeln unterworfen und damit gleichförmig
und vorhersagbar; bei McDonalds schmecken die Burger überall auf der
Welt gleich, und für die Kunden ist der gesamte Verkaufsablauf vorhersehbar
und damit vertraut);
- Kontrolle (selbst komplizierte Vorgänge werden in kleinste, einfach
auszuführende Elemente zerlegt und damit kontrollier- und berechenbar
(bei Mc-Donalds der gesamte standardisierte Prozess von der Herstellung
über die Verarbeitung bis zum Verkauf der Fast-Food-Produkte).
Ritzer steht diesen Standardisierungsprozessen äußerst kritisch gegenüber
und sieht sie in allen Gesellschaftsbereichen am Wirken von der Fließbandarbeit
über den standardisierten Pauschalurlaub bis zum Geldautomaten.
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McWorld-These
Die These wurde von Benjamin R. Barber aufgestellt. Barber identifiziert weltweit
zwei soziokulturelle bzw. soziopolitische Hauptströmungen, die er mit Jihad
und McWorld bezeichnet. Jihad beschreibt das Phänomen der Retribalisierung
und Fragmentierung von Staaten entlang ethnischer Grenzen, worin Barber ein
antidemokratisches, antimodernistisches Moment erkennt (vgl.
Zülch
2004: 31).
Ethnisierung;
Tribalismus
Mit dem Begriff McWorld bezeichnet Barber den Aufbau eines homogenen, vor allem
durch Handel, moderne Kommunikationstechnologie und ökologische Strategien
verknüpftes globales Netzwerk. Es sei "das Produkt einer vom expansionistischen
Kommerz hervorgetriebenen Massenkultur", deren Schablone amerikanisch sei.
"Es geht um Kultur als Ware, um Accessoires als ideologische Versatzstücke"
(
Barber 1996:
22). Während für ihn die Kräfte des Jihad eher " die nahe
Zukunft beherrschen", sind für ihn auf lange Sicht "die Kräfte
von McWorld der Grund für das langsame (...) Vordringen der westlichen
Zivilisation und könnten als solche unaufhaltsam sein" (Barber 1996:
25; cit. in
Zülch
2004: 31).
In beiden Phänomenen sieht Barber eine Bedrohung für die freiheitliche
Demokratie, worauf der Titel der deutschen Ausgabe seines Werkes programmatisch
hinweist: "Coca-Cola und Heiliger Krieg. Wie Kapitalismus und Fundamentalismus
Demokratie und Freiheit abschaffen" (vgl.
Barber
1996).
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Mediation, interkulturelle
Mediation ist die Verhandlung zwischen Konfliktparteien im Beisein eines neutralen
Dritten (Mediator), der den Prozess nach einem strukturierten Ablauf moderiert
und nach Möglichkeit schlichtet. Ziel ist eine gütliche Einigung zwischen
den Parteien. Verhandlungsgegenstand und Art der Konfliktlösung werden
dabei durch die Parteien, nicht durch den Mediator bestimmt. Die Wurzeln der
Mediation liegen in der in den USA in den 1960er Jahren entstandenen "Alternative
Dispute Resolution", einem diskursiven Verfahren zur Streitbehandlung.
Zwar wird die Mediation für interkulturell bedingte Konflikte aufgrund
ihrer strukturellen Offenheit und der weit reichenden Autonomie der beteiligten
Personen als besonders geeignet empfunden, und eine Welle neuer Publikationen
zur Thematik deutet auf einen wachsenden Markt (vgl. z. B.
Calließ
1999;
Bolten
2001). Allerdings hält sie auch eine Vielzahl von Problemen und Fragestellungen
bereit, die die Effektivität des Mediationsverfahrens in interkulturellen
Situationen problematisch machen. Dabei geht es vor allem um die kulturelle
Verwurzelung des derzeitig kursierenden Mediationsbegriffes in europäisch-westlichen
Kontexten und damit die Übertragbarkeit westlicher Konfliktschlichtungskonzepte
(vgl.
Busch
2004), aber auch um divergierende Sprachhandlungsmuster, kulturbedingte
Kontextualisierung und insbesondere die Fehlinterpretationen bei der situativen
Aushandlung der interpersonalen Beziehungen der Kontaktpersonen (
Busch
2004: 46).
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Meistererzählung
Der aus der Literaturkritik entlehnte Begriff der Meistererzählung (engl.
master narrative) bezeichnet in den historischen Wissenschaften die großen,
kohärenten und in der Regel auf den Nationalstaat ausgerichteten Geschichtsdarstellungen,
deren Einfluss nicht nur innerfachlich schulbildend wirkt, sondern öffentliche
Dominanz erlangt (vgl.
Jarausch/Sabrow
2002). Der Begriff wurde in der Zwischenzeit für viele auch gesellschaftspolitische
Bereiche übernommen.
Die Funktion der Meistererzählung besteht nach Rüsen (
1998:
23) darin, eine Kultur für identifikatorische Zwecke der Vergangenheit
zu vergewissern. Meistererzählungen bestimmen den Mainstream öffentlicher
Debatten, dem sich die Beteiligten entweder unterordnen (wie z. B. die ostdeutschen
Historiker in das marxistischleninistische Meistererzählungs-Korsett) oder
von dem sie sich bewusst absetzen. Ist eine Meistererzählung erst einmal
in Umlauf und gesellschaftlich wie kulturell legitimiert, ist es äußerst
schwierig, den Beteiligten ihren Erfindungs- oder Konstruktionscharakter noch
bewusst zu machen. (Vgl. auch den Begriff der Invented Tradition
von Ranger & Hobsbawm;
Nation)
Im Westen haben Begriffe wie
Fortschritt
und Evolution oder die Idee des Individuums den Entwicklungs-
wie den Menschenrechtsdiskurs als Meistererzählungen maßgeblich beeinflusst.
Mit zunehmend ortsungebundenen ethnischen und kulturellen Prozessen verlieren
die großen Meistererzählungen ihr Deutungsmonopol (vgl.
Appadurai
1998: 19).
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Medien
Medium heißt übersetzt Mittler und bezeichnet in der Regel ein Kommunikationsmittel.
Unter den Massenmedien werden nach Maletzke die Medien verstanden, die sich
einseitig an ein disperses, unspezifisches Publikum richten. Der Einfluss der
Massenmedien auf das Publikum wurde schon früh kritisiert. Theodor Adorno
prägte den Begriff der
Kulturindustrie,
die als Mittel von Herrschaft und Integration wirke. Um Abnehmer zu finden,
passe sich die Ware Kultur ganz an die Konsumenten an und verliere
dabei ihre kritische Funktion in der Gesellschaft. Die Vorstellung vom linearen
Medienwirkungsmodell ist lange durch Modelle ersetzt worden, die Rückkopplung,
Meinungsführerschaft und die Faktoren der, durch kulturelle und politische
Rahmenbedingungen als Filter wirksamen, so genannten "Medienwirkungsmauer"
(
Kunkel 1998)
mit einbeziehen.
Auf globaler Ebene spielen die Massenmedien eine besondere Rolle unter den kulturellen
Vermittlungsformen. Auch wenn oft einheimische Medien(produkte) bevorzugt werden,
beherrscht der Westen einen Großteil der Massenmedien in den Entwicklungsländern.
Von der Bedrohung kultureller Nivellierung ist jedoch nicht auszugehen: Auch
wenn weltweit Dallas gesehen wird, sind die Interpretationen der Serie doch
sehr unterschiedlich. Die Frage einer westlichen Medienhegemonie wird nicht
nur von Entwicklungsländern thematisiert, sondern spielt auch bei der Frage
der Schutzwürdigkeit der europäischen Kulturindustrie vor der "amerikanischen
Medienhegemonie" eine Rolle.
Der von der BRD unterzeichnete "Aktionsplan Kulturpolitik für Entwicklung"
der UNESCO Konferenz 1998 in Stockholm (
Mondiacult)
beeinflusste auch die Politik der nationalen und internationalen Entwicklungshilfegeber.
Eines der fünf Politikziele ist der "Förderung der kulturellen
und sprachlichen Vielfalt innerhalb und für die Informationsgesellschaft"
gewidmet (besonders dem Aufbau von multimedialen Kommunikationssystemen und
der Einrichtung moderner Informationstechnologien wie Radio, TV, PC-Ausrüstung
und -ausbildung). Verschieden bilaterale Agenturen haben in diesem Bereich inzwischen
einen Förderungsschwerpunkt (z. B. die schwedische SIDA mit einer eigenen
Abteilung ("Cultural and Media Division") oder die Schweiz (
DEZA).
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Menschenrechte
Prägend ist hier der Streit zwischen den Vertretern eines Universalismus
und eines
Kulturrelativismus.
Der Westen klagt die unveräußerlichen Rechte und die bürgerlichen
Freiheiten des Individuums ein, der Süden und asiatische (Tiger-)Staaten
wiesen in den letzten Jahren auf die historische Gebundenheit eines westlich
geprägten Menschenrechtsbegriffes hin, und betonten die Pflichten des Individuums
gegenüber der Gemeinschaft. Die sozialistischen Staaten akzeptierten in
ihrer Mehrheit nie die sog. natürlichen politischen Rechte (die erste Generation
der individuellen Menschenrechte), obwohl sie die UN-Dokumente unterzeichnet
hatten. Die USA und andere westliche Staaten unterzeichneten zwar, aber ratifizierten
ihrerseits nie die gesetzlichen Instrumente zur Umsetzung der sozialen, ökonomischen
und kulturellen Rechte (zweite und dritte Generation der allgemeinen Menschenrechte).
Damit ist bis heute der Anspruch der Unteilbarkeit aller Menschenrechte, wie
er in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und zuletzt im Artikel
5 der Wiener Erklärung von 1993 festgehalten ist, nicht eingelöst
(vgl.
Messer
1993: 222). Wegen der Schwierigkeit der Durchsetzung der Menschenrechtskonventionen
in der Praxis plädierte Nuscheler für eine Bescheidung auf weltweit
konsensfähige Minimalstandards und eine relative Universalität
als Rettungsanker, solange es keine politische
Weltethos
gibt (
1995:
204).
Die Beachtung der allgemeinen Menschenrechte ist eines der fünf Vergabekriterien
deutscher EZ (
Konditionalisierung
der EZ). Aus einer Handlungsperspektive (
Ethik)
verständlich, wird mit dieser normativen Haltung jedoch eine kulturelle
Perspektive auf die Menschenrechte schwierig.
Eine kulturelle Forschungsperspektive auf Menschenrechte fragt zum Beispiel,
wie Recht und Gerechtigkeit kulturell definiert bzw. wie menschliche Würde,
voller sozialer Erwachsenenstatus und Mitgliedschaft in einer Gesellschaft erreicht
werden. Sie untersucht auch die Mechanismen für die Aufrechterhaltung gewaltsamer
Bräuche (z. B. Klitorisbeschneidung, Kindstötung). Sie fragt nach
der historischen Tiefe oder kulturellen Bedeutung eines Brauches, bzw. wer aus
der Aufrechterhaltung von diskriminierenden kulturellen Praktiken Nutzen zieht.
So dienen manche Praktiken bestimmten privilegierten Kategorien von Individuen
(z. B. Männern mit Macht) oder sind rezente Artefakte, durch die sich eine
männerdominierte Gesellschaft an knappe Ressourcen anpasst (vgl.
Messer
1993: 233 und
Schönhuth
1998).
Rechte,
kulturelle;
Rechtspluralismus;
Rechte,
intellektuelle
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Mentalität
Mentalität bezeichnet die auf der Grundlage bestimmter gesellschaftlicher
Verhältnisse entstehenden Einstellungen, die sich zu habituell geprägten
Denk-, Urteils- und Handlungsstrukturen verdichten (
Habitus).
Der Begriff wird wissenschaftlich kaum mehr, dafür umgangssprachlich umso
häufiger benutzt (in Deutschland z. B. vor allem für die Beschreibung
der Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen nach der Wende). Begriffshistorisch
steht Mentalität in Verbindung mit der Entstehung moderner Nationalstaaten,
und der damit verbundenen Thematisierung kollektiver Identitäten bzw. Mentalitäten
von "Völkern" oder "Nationen". In diesem Zusammenhang
wurde der Begriff auch schon früh politisch instrumentalisiert und für
die Begründung völkisch begründeter Mentalitätsunterschiede
missbraucht (
Volk;
Invented
Tradition).
Während der häufig synonym verwendete Begriff der
"kollektiven
Identität" eher die objektivierbare Seite hervorhebt, hebt
Mentalität mehr auf die "Tiefenschichten " des Bewusstseins und
damit auf die tiefer verankerten und weniger leicht veränderlichen Denkmuster
ab (
Vester
1996: 10 f.).
In Deutschland wird heute im Gegensatz zur Völkerpsychologie der 1920er
Jahre oder der Kultur-und-Persönlichkeits-Schule der 1930er Jahre nur noch
in wenigen Bereichen eigentliche "Mentalitätsforschung" betrieben;
v. a. in der Literaturwissenschaft und der soziologischen Landeskundeforschung.
(
Nationalcharakter)
Das weit verbreitete
Kulturdimensionen-Modell
von Geert Hofstede verwendet den Begriff der "mentalen Programme"
für seine Kulturdefinition und hat dem Begriff damit zu einer Renaissance
verholfen. Auch Vertreter der interkulturellen Austauschforschung nehmen ihn
teilweise unkritisch wieder auf (vgl. z. B.
Vester
1996 und die Reihe "Beiträge zur sozialwissenschaftlichen Analyse
interkultureller Beziehungen). Vereinzelt wird der Begriff auch in der modernen
Milieuforschung und in Deutschlandstudien benutzt (
Gebhardt/Kamphausen 1994).
Dabei gibt es auch Bezüge zum
Habituskonzept
von Pierre Bourdieu (vgl.
Bourdieu
1983).
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Mentalitätsgeschichte
Mentalitätsgeschichte ist der Versuch von Historikern, die Mentalitäten,
d. h. die Einstellungen, Gedanken und Gefühle der Menschen einer Epoche
darzustellen. Sie ist eine Arbeitsrichtung der Geschichtswissenschaft, die als
Gegenentwurf zur etablierten Geschichtsforschung Mentalitäten v. a. von
historisch nicht hervorgetretenen Gruppen und Schichten untersucht. Mentalitätsgeschichte
muss aus den Quellen entdeckt werden, die über das Alltagsleben und die
Lebenspraxis Auskunft geben (Arbeitsfelder sind z. B. die Kultur der Bauern
oder die kollektiven Sinnhorizonte der entstehenden Arbeiterschaft). Mentalität
wird dabei aufgefasst als "kollektiv geteilte Weltsicht und Lebensanschauungen
von eigener, nicht mit sonstigen historischen Periodisierungen deckungsgleicher
Dauer".
Die Mentalitätsgeschichte entstand im Zusammenhang mit der französischen
Annales Schule. In Deutschland hat die Mentalitätsgeschichte keine große
Tradition, an den Universitäten hat sie keinen wichtigen Vertreter. (Vgl.
Bohler 2004).
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Migration
Diaspora;
Hybridität;
Transkulturalität;
translokale
soziale Praxis
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Milieu, soziales
Der Begriff Soziales Milieu ("milieu social") stammt vom französischen
Soziologen Emile Durkheim und beschreibt die soziale Umgebung, in der ein Individuum
aufwächst und lebt. Durkheim unterscheidet zwischen innerem und äußerem
sozialen Milieu. Der Milieubegriff weist Verbindungen zu der durch die französische
Revolution weiterentwickelten Milieutheorie auf, die davon ausgeht, dass der
Mensch weitgehend von der Umwelt, von den äußeren Umständen
abhängig ist.
"In der Lebensstil- und Ungleichheitsforschung wurde in den 80er Jahren
der Milieubegriff spezifiziert und eine Unterscheidung zwischen sozialer Lage,
Lebenszielen und Lebensstilen getroffen, die Handlungsmuster zur Erreichung
von Lebenszielen beschreiben. Der Milieu-Begriff geht davon aus, dass der Lebensstil
von Menschen nicht nur aufgrund äußerer Umstände, sondern auch
von inneren Werthaltungen geprägt wird. Der Begriff soziales Milieu bezieht
sich damit auf Gruppen von Individuen mit ähnlichen Lebenszielen und Lebensstilen
und umfasst Mentalität und Gesinnung der Personen. Durch die zunehmende
Pluralisierung der Gesellschaften und die Individualisierung der Lebensstile
wird die vormals enge Verknüpfung zwischen sozialer Lage und Milieus entkoppelt,
auch wenn soziale Milieus weiterhin nach Status und Einkommen hierarchisch eingeordnet
werden können" (
Wikipedia
2004: Soziales Milieu;
Internetquelle).
Die auf die Erfassung der Lebenswelt gerichteten so genannten Sinus-Milieustudien,
in denen vor allem für die Werbewirtschaft seit Jahren soziokulturelle
Milieus auf einer Matrix in Bezug auf "soziale Lage/Schichtzugehörigkeit"
und "Werteorientierung" abgebildet werden, zeigen sowohl gravierende
Veränderungen im Längsschnitt (z. B. nach der Wende Ausbildung eines
"DDR-nostalgischen" Milieus) als auch nationale Spezifika (z. B. im
Vergleich zwischen Deutschland und Österreich).
Sinus Sociovision: Die Sinus-Milieus (Internetquelle)
Ein weiteres Institut, das im Sinne der Milieu- und Prognoseforschung mit "soziokulturellen
Schlüsseltrends" arbeitet, ist das "Zukunftsinstitut" von
Matthias Horx (vgl.
Horx/Horx
2004).
Soziokulturelles Milieu wird oft im Sinne von soziokulturellem Kontext
bzw. soziokulturellen Bedingungen gebraucht. Diese Bedingungen gründen
sich auf Erfahrungen der Gruppe, auf Werte, Traditionen, wie auch auf ihre Heterogenität
und die in der Gruppe herrschenden verschiedenen Vorstellungen und Interessen.
So kann das soziokulturelle Milieu einer Gruppe innovationsfreudig sein, wenn
etwa Kreativität als Wert angesehen wird. Diesen Ansatz vertritt z. B.
Weiss (
2001).
Nationalcharakter
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Millenniums-Entwicklungsziele
Holtz definiert: "In der Millenniums-Erklärung der Vereinten Nationen
vom 8. September 2000 bekennen sich alle 189 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen
zu einer weltweiten Entwicklungspartnerschaft und zu konkreten Millenniums-Entwicklungszielen.
So haben sie sich zu dem Ziel verpflichtet, bis 2015 den Anteil der Weltbevölkerung,
dessen Einkommen weniger als 1 Dollar pro Tag beträgt (ca. 1,2 Mrd. Menschen),
und den Anteil der Menschen, die Hunger leiden (über 800 Mio. Menschen),
zu halbieren. Die sechs anderen Millennium-Entwicklungsziele beziehen sich auf
die Verwirklichung der allgemeinen Primarschulbildung, die Förderung der
Gleichstellung der Geschlechter und Ermächtigung der Frau, die Senkung
der Kindersterblichkeit, die Verbesserung der Gesundheit von Müttern, die
Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und anderen Krankheiten sowie auf die
Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit. Schließlich wird eine
globale Partnerschaft für Entwicklung gefordert (von einem offenen Handelssystem
über Schuldenabbau bis zu einer höheren ODA). Als Beitrag zur weltweiten
Halbierung extremer Armut beschloss die deutsche Bundesregierung am 4. April
2001 das Aktionsprogramm 2015" (
Holtz
2006; und
Internetquelle).
In den Millenniums-Entwicklungszielen spielt Kultur nur eine untergeordnete
Rolle. Es ist deshalb eine strategische Überlegung innerhalb des BMZ, Kultur
als Funktion von Gender und Armutsbekämpfung (Poverty Reduction Strategies)
oder Partizipation der Zivilgesellschaft in die Diskussion mit Entscheidungsträgern
einzubringen.
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Minderheit
Eine Minderheit ist der Mehrheit zahlenmäßig unterlegen und unterscheidet
sich von dieser in einem oder mehreren Merkmalen. "Als solche Merkmale
können Religion, Muttersprache, Abstammung, sexuelle Orientierung und ethnische
Selbstorganisation gelten" (
Elwert
1999d: 254).
Eine nationale Minderheit bezeichnet eine Ethnie, die innerhalb eines Staatsgebietes
lebt, in dem eine andere Ethnie die Mehrheit ausmacht. Häufig werden Minderheiten
stigmatisiert, in diesem Prozess werden ihnen Eigenschaften zugeschrieben, "die
eher etwas über die Probleme der Selbstwertzuschreibung ... der Mehrheit
als über die Minderheit aussagen" (
Elwert
1999d: 255).
In den knapp 200 Ländern dieser Erde leben rund 5000 verschiedene ethnische
Gruppen. In 2/3 dieser Länder gibt es eine oder mehrere Minderheiten die
mindestens 10% der Bevölkerung ausmacht (vgl.
UNDP
2004: 2). Der Datensatz "Gefährdete Minderheiten" der UNDP
schätzt, "dass beinahe eine halbe Milliarde Menschen - also fast jeder
siebte Mensch - Gruppen angehören die entweder einer Ausgrenzung in Bezug
auf die Lebensweise oder in Bezug auf Beteiligungsmöglichkeiten ausgesetzt
sind, von der andere Gruppen im selben Staat nicht betroffen sind" (
UNDP
2004: 8). Zwar existiert in der Regel ein Zusammenhang zwischen der Ausgrenzung
in Bezug auf die Lebensweise und dem Ausschluss von gesellschaftlichen Beteiligungsmöglichkeiten,
aber die Auslandschinesen in Südostasien sind z.B. wirtschaftlich dominierend,
"wurden und werden jedoch in kultureller Hinsicht ausgeschlossen"
(
UNDP 2004:
9).
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Minderheit, ethnische
Eine kulturell abgrenzbare Gruppe (oder auch Kategorie) in einem Nationalstaat,
die (unabhängig von ihrer Größe) strukturell untergeordnet ist
und zumeist aus Migranten oder Flüchtlingen besteht, im Gegensatz zu schon
lange in einem Gebiet lebenden Gruppen.
Völker,
indigene
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Minimalgruppenparadigma
Bloße Gruppenzugehörigkeit führt bereits zu Bevorzugung (Favorisierung)
der eigenen Gruppe dies stellte Henry Tajfel 1971 fest. Nach dieser Theorie
über Intergruppenverhalten versuchen sich Mitglieder einer Gruppe gegenüber
Außengruppen abzugrenzen, auch wenn dafür persönlich keine Vorteile
zu erwarten waren.
Tajfels Experimente waren so angelegt, dass ein Gruppenmitglied seine Gruppe
weder kannte, noch die Gruppenbildung in irgendeiner Weise nachvollziehen konnte.
Nun sollte das Gruppenmitglied Punkte für die eigene Gruppe und die Fremdgruppe
verteilen, ohne dass es selbst einen Vorteil davon haben würde. Für
die Verteilung der Punkte nach Matrizen gab es verschiedene Prinzipien, so z.
B. Gleichheit, maximaler Gewinn für die eigene Gruppe, maximale Differenz
zwischen beiden Gruppen etc. Tatsächlich waren die Verteiler darauf bedacht,
möglichst viel Gewinn für die (unbekannte) Eigengruppe, noch mehr
aber möglichst viel Schaden für die Fremdgruppe zu erzielen. Dies
zeigt die Minimalbedingung für
Ethnozentrismus:
die bloße Bezeichnung von Gruppen.
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Missverständnisse, interkulturelle
Nach IKO (
2004)
resultieren viele interkulturelle Missverständnisse und Probleme daraus,
"... dass man sich der Kulturgebundenheit der eigenen und der spezifischen
Wahrnehmungsweise seines fremdkulturellen Partners nicht hinreichend bewusst
ist: Es werden Dinge und Sachverhalte als unhinterfragt normal angesehen,
die für die Wahrnehmungsgewohnheiten des anderen keineswegs plausibel sind.
Wird dieser Plausibilitätsmangel nicht thematisiert oder wird der Sachverhalt
solange uminterpretiert, bis er aus der eigenen Sichtweise heraus
plausibel erscheint, bauen alle weiteren Interaktionen zwischen den Beteiligten
auf der trügerischen Annahme auf, man hätte z. B. eine gemeinsame
Argumentationsbasis. Faktisch argumentiert man jedoch auf ganz unterschiedlichen
Ebenen (ohne es zunächst zu merken). Wenn das gegenseitige Missverstehen
dann offenkundig wird, ist die eigentliche Ursache meistens gar nicht mehr bekannt,
womit es dann umso schwieriger wird, eine neutrale Beziehungsebene zurückzuerlangen"
(
Interkulturelle
Kommunikation Online 2004).
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Modernisierung
In den Augen der Modernisierungstheoretiker ist Modernisierung ein revolutionärer
Prozess, der radikale und tief greifende Änderungen in Entwicklungsgesellschaften
mit sich bringt; ein komplexer Prozess, der Industrialisierung, Verstädterung,
soziale Mobilität, Differenzierungsprozesse, Säkularisierung, Medienausbreitung,
politische Partizipation umfasst, und mit wachsender Alphabetisierung und Bildung
einhergeht; ein systemischer Prozess, in dem wirtschaftliche Entwicklung, Kulturwandel
und politischer Wandel nach kohärenten und teils vorhersehbaren Mustern
miteinander zusammenwirken. Rückständigkeit wird zwar überwiegend
auf endogene Faktoren zurückgeführt, diese werden jedoch nicht weiter
analysiert. Kultur (im Sinne überkommener Tradition) gilt unhinterfragt
als Hemmschuh für Entwicklung.
Modernisierung kann aber auch wie
Fortschritt
oder
Entwicklung
als eine der großen
Meistererzählungen
gelesen werden, mit denen der Westen sein Deutungsmonopol legitimiert und aufrechterhält.
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Mondiacult
Unter anderem in Folge des Iranschocks 1979 beschäftigte sich die Weltkonferenz
über Kulturpolitik Mondiacult in Mexico City 1982 explizit
mit den soziokulturellen Aspekten von Entwicklung. Dort wurde auch die im Kern
bis heute gültige und von vielen großen EZ-Organisationen unverändert
übernommene Definition von Kultur geprägt. Sie sagt aus, "dass
die Kultur in ihrem weitesten Sinne als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen,
materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte angesehen werden kann,
die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Dies schließt
nicht nur Kunst und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte
des Menschen, Wertesysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen" ("Culture
... is ... the whole complex of distinctive spiritual, material, intellectual
and emotional features that characterize a society or social group. It includes
not only arts and letters, but also modes of life, the fundamental rights of
the human being, value systems, traditions and beliefs").
Diese Definition stimmt auch mit den Beschlüssen der Weltkommission über
Kultur und Entwicklung ("Unsere kreative Vielfalt", 1995) und der
Zwischenstaatlichen Konferenz über Kulturpolitik zur Entwicklung (Stockholm
1998) überein. Aus dem Ziel der Integration kultureller Faktoren entstand
die Idee zu einer "Weltdekade für kulturelle Entwicklung" (World
Decade for Cultural Development 19881997).
Ein zwiespältiges Erbe der Meinungsführerschaft der
UNESCO
sind die in ihren Definitionen enthaltenen universalistischen Prinzipien ihrer
Gründer auf der einen, und die den praktischen Realitäten folgenden
relativistischen Erfordernisse eines "Clubs von Mitgliedern aus den unterschiedlichsten
Kulturkreisen" (
Rao/Walton
2004) auf der anderen Seite. So stehen eigentlich miteinander unvereinbare
Erklärungen zu universalen Prinzipien und Rechten neben solchen, die den
Respekt für die Unterschiedlichkeit und Vielfalt der Kulturen einfordern.
Die Weltkonferenz "Kulturpolitik für Entwicklung" im April 1998
in Stockholm umreißt fünf Politikziele: Kulturpolitik als Schlüsselkomponente
von Entwicklungsstrategien; die Förderung von Kreativität und Teilhabe
am kulturellen Leben; Einleitung von Politiken und Verfahren zur Sicherung und
Verstärkung des kulturellen Erbes und die Förderung der Kulturindustrie
(auswärtige Kulturpolitik; Ausbildung von Fachkräften, sanfter Kulturtourismus).
In ihrer Resolution zum Jahr 2001 vom 4. November 1998 fordert die Generalversammlung
die Vereinten Nationen Regierungen, internationale und nichtstaatliche Organisationen
auf, "geeignete kulturelle, pädagogische und soziale Programme zu
planen und durchzuführen, um das Konzept des Dialogs zwischen den Kulturen
zu fördern". Die Generalversammlung hat das Jahresmotto "Dialog
zwischen den Kulturen" (United Nations Year of Dialogue among Civilizations)
auch als Gegenbegriff zum viel beschworenen Begriff Clash of Civilizations (
Kampf
der Kulturen) des amerikanischen Politikwissenschaftlers Samuel Huntington
gewählt.
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Multikulturalität
Während sich
Interkulturalität
auf den Prozess und die Dynamik des Zusammenlebens bezieht, wird mit Multikulturalität
in erster Linie eine soziale Organisationsstruktur bezeichnet. Nach dem Grad
der Interaktivität lassen sich laut IKO (
2004)
drei Varianten von Multikulturalität unterscheiden:
- ultikulturalität I: "Unechte, nur bevölkerungsstatistisch
existente Multikulturalität. Kulturelle Eigenheiten werden auf Grund
strikter Assimilationsforderungen vielfach eingeebnet.
- Multikulturalität II: Kulturelle Gruppen können ihre Identität
weitgehend bewahren, grenzen sich aber untereinander ab. Es kommt bestenfalls
zu friedlicher Koexistenz.
- Multikulturalität III: Kulturelle Gruppen bewahren sich identitätsstiftende
Freiräume, akzeptieren diese gegenseitig und praktizieren ein interkulturelles
Miteinander". (Interkulturelle
Kompetenz Online 2004; Internetquelle).
Kritisiert wird am Multikulturalismusmodell, dass es eigentlich nur die pluralistische
Form eines geschlossenen Homogenitätsmodells darstellt. Es wird zwar von
einem möglichen Nebeneinander verschiedenartiger Kulturen in einem Nationalstaat
ausgegangen; die Sinngrenzen werden aber immer noch mit den Grenzen distinkter
Personengruppen identifiziert (vgl.
Reckwitz
2001: 183; vgl. auch
Welsch 2002).
So ließen sich auch
Apartheidsvorstellungen
mit einem Multikulturalitätsansatz begründen. Eine Alternative zu
diesem Ansatz ist das Konzept der
Transkulturalität
von Wolfgang Welsch.
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Multikulturelle Gesellschaft
Eine multikulturelle Gesellschaft besteht aus Menschen verschiedener Kulturen
(Herkunft, Nationalitäten, Sprachen, Religionen, Ethnien).
Assimilation
wird dabei weder angestrebt noch verhindert, das Selbstbestimmungsrecht jeder
Kultur nicht angetastet. "Dabei beruht die multikulturelle Gesellschaft
auf dem gegenseitigen Verstehen der beteiligten Menschen. Idealerweise sollte
weder eine Gruppe dominieren, noch irgendeine Gruppe ausgeschlossen sein, was
naturgemäß nur schwer realisierbar ist. Fast jeder europäische
Staat und auch fast jedes Land der Erde sind wenigstens zum Teil "multikulturell",
zumindest sind sie es im Laufe ihrer Geschichte einmal gewesen." (
Wikipedia
2004;
Internetquelle).
Multikulturalität
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Multisited Ethnography
Da Ethnien oft in verstreuten Territorien leben oder sogar nur Netzwerke bilden,
rücken Kulturforscher zunehmend davon ab, Gruppen oder Teilgruppen als
ausschließliche Forschungseinheiten zu nehmen. Jetzt erforscht man vermehrt
interethnische Systeme, multiethnische Netze, globale Verknüpfungen oder
soziale Bewegungen, die über einzelne Gruppen hinwegreichen. In der Feldforschung
werden deshalb Menschen und Probleme an mehreren Orten ("multisited")
gleichzeitig empirisch verfolgt und untersucht. Der Begriff wurde von dem amerikanischen
Anthropologen George Marcus geprägt (vgl.
Marcus
1995).
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Mythos
Mythos bezieht sich auf die sich von der wissenschaftlich-logischen Erklärung
unterscheidende eher symbolisch-erzählende Form der Erschließung
von Wirklichkeit. Der Mythos erzählt für die Beteiligten "wahre"
Geschichten, die sich auf Vergangenes beziehen und damit Gegenwärtiges
begründen. Der Mythos kollektiver, gemeinschaftsbildender historischer
Erfahrungen spielt bei der Herausbildung
kollektiver
Identität im Allgemeinen und nationaler Identität im Besonderen
eine wesentliche Rolle (
Nation).
Durch das Erfinden gemeinsamer Traditionen werden historische Ereignisse zu
politischen Mythen und Ritualen umgedeutet, neu ausgelegt und damit Herrschaft
oder Herrschaftsansprüche legitimiert (
Hobsbawm/Ranger
1983;
Hobsbawm
1991) und die Frage der Zugehörigkeit (Inklusion und Exklusion) begründet.
Auch die großen
Meistererzählungen,
die den Diskurs ganzer Gesellschaften prägen, bauen auf solchen Mythen
auf.
Mythen sind "eine Form der Tradierung von Vorstellungen und Werten, die
viel über das Selbstverständnis einer Gemeinschaft (Nation) aussagt,
dagegen weniger über die empirische Nachprüfbarkeit durch wissenschaftliche
Methodik" (Willikiewicz 2000: 59 cit. in
Rösch
2004: 57). Rösch zeigte kürzlich am Beispiel des polnischen Nationalmythos,
welche sinnstiftenden, integrativen und in der Konsequenz positive Funktionen
solche Selbstvorstellungen und Selbstdarstellungen im Rahmen nationaler Identitätsbildung
gerade im Prozess der Europäisierung haben können (
Rösch
2004).
Auch in der Entwicklungszusammenarbeit wird über Entwicklungsmythen gestritten.
So wurde 2004 vom Sprecher der Nord-Südgruppe der Grünen in Deutschland
selbst das Leitbild der Armutsbekämpfung des Ministeriums als Entwicklung
blockierender "Mythos" in Frage gestellt (vgl.
Peltzer
2004).
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