Verwaltungskultur

Verwaltungskultur leitet sich aus dem Konzept der Organisationskultur ab. Sie bildet nach Wille (2003) ein Subsystem der Landeskultur und ist von ihr geprägt: "Die in einschlägiger Fachliteratur diskutierte Kontroverse, ob Organisationen von Landeskulturen geprägt sind, wird begrifflich mit ›culture bound‹-These vs. ›culture free‹-These gefasst. Ausgehend von der Kulturgebundenheit des Menschen sind auch Organisationen, an denen Menschen partizipieren, geprägt von der sie umgebenden Kultur. Im Gegensatz dazu betrachten Verfechter der ›culture free‹-These Organisationen völlig frei von kulturellen Einflüssen: Sie gehen davon aus, dass Organisationen universalen Bedingungen unterliegen, die keine kulturspezifischen Ausprägungen erfahren. Die skizzierten Auffassungen repräsentieren Extrempositionen, die in ihrer Reinform kaum haltbar sind.
Laut Köppel liegen vor allem in den Wirtschaftswissenschaften empirische Belege dafür vor, dass universale Ähnlichkeiten eher im Makrobereich (Organisationsstrukturen, Technologien) und Unterschiede eher auf der Mikroebene (bspw. Verhalten von Mitarbeitern) zu finden sind (vgl. Köppel 2002: 35 ff.)" (Wille 2003; Verwaltungskultur; Internetquelle).

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Vielfalt, intrakulturelle

"Im Gegensatz zu ›inter‹ verweist die Vorsilbe ›intra‹ nicht auf ein drittes ›Dazwischen‹, sondern auf ein ›Innerhalb‹. Im Sinne des weiten Kulturbegriffs ist damit folglich die Interaktion zwischen Angehörigen von Subkulturen innerhalb eines Lebenswelt-Netzwerkes als intrakulturell zu bezeichnen. Diese Differenzierung ist allerdings notwendig unscharf und muss es auch bleiben, weil die Grenzen zwischen Inter- und Intrakulturalität fließend sind. Erklärbar wird aber, dass und warum z. B. oberflächenstrukturell ein deutscher und ein chilenischer Bäcker mehr Gemeinsamkeiten aufweisen und sich eventuell besser verstehen als der gleiche deutsche Bäcker mit seinem Nachbarn, einem deutschen Mathematiker" (Interkulturelle Kompetenz Online 2004; Internetquelle).
Gerade die binnenkulturellen Differenzen werden von den an Nationalstereotypen orientierten Ansätzen (Kulturdimensionen; Kulturstandards) meist völlig ausgeblendet. Aber auch in der EZ wird intrakulturelle Vielfalt oft vernachlässigt; man denkt in Kategorien, früher in Rassen, dann in Ethnien und Gemeinschaften. Dennoch ist es gerade für EZ-Vorhaben wichtig, die Heterogenität zu beachten. Die Vielfalt bezieht sich z. B. auf unterschiedliche Sprachen oder Dialekte, unterschiedliche Religionen, Traditionen etc., aber auch auf verschiedene Schichten und Generationen.

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Vielfalt, kulturelle / Social Diversity / Cultural Diversity

Taylor Cox Jr., einer der führenden Diversity-Wissenschaftler in den USA, fasst den Begriff als den Mix von Menschen innerhalb eines Sozialsystems, die erkennbar unterschiedliche, sozial relevante Gruppenzugehörigkeiten haben (vgl. Cox/Beale 1997: 1). Wird die Unterscheidung auf der Basis von Sprache, Verhaltensnormen, Werten, Lebenszielen, Denkstilen oder Weltanschauungen vorgenommen, hat sie also kulturelle Relevanz, sprechen die Autoren von kultureller Diversität (vgl. Cox/Beale 1997: 2).
Ethnologische Studien zur Vielfalt in Kulturen können für das Verständnis und die Verbesserung formaler Organisationen fruchtbar gemacht werden. "Diversität ist nicht einfach größer oder kleiner: Gesellschaften und Organisationen sind unterschiedlich verschieden! In der öffentlichen Debatte über Kultur wie auch in der Organisationsforschung steht ›Kultur‹ meist für Unterschiede, für Differenz. Die Betonung der Unterschiede zwischen Kulturen führt jedoch zu blinden Flecken. Erstens bleiben die Gemeinsamkeiten zwischen Kulturen unbeachtet. Zweitens übersieht man die Unterschiede innerhalb von Kulturen" (Antweiler 2003c). Vielfalt, intrakulturelle
›Diversity‹ wird fast immer bewertet, meistens positiv (während z. B. ›Heterogenität‹ oft als negativ gilt). Der englische Begriff umfasst ein Bedeutungspaar, das ganz unterschiedliche normative Setzungen erlaubt: einerseits Unterschiedlichkeit im Sinne von Andersartigkeit (differentness), andererseits Mannigfaltigkeit (biodiversity) im Sinne von Typen- oder Artenvielfalt. Einigkeit besteht in der neueren Diversity-Forschung über folgende Aussagen:

1. dass jedes Attribut / jede Kategorie, die in einer Gruppe unterrepräsentiert ist, potentiell zur Basis für Kategorisierung werden kann;
2. dass bestimmte demografische Charakteristika (phys. Erscheinung, Geschlecht, Alter) auffälliger sind und deshalb leichter zur sozialen Kategorisierung herangezogen werden;
3. dass Rasse/Ethnizität, Gender, Klasse und sexuelle Orientierung institutionell wie kulturell konstruiert und deshalb prinzipiell veränderbar sind;
4. dass jede dieser Dimensionen sozialer Organisation dichotom konstruiert ist (weiß/nichtweiß; Frauen/Männer; usw.);
5. dass sich jede Dimension auch aus Anteilen der anderen konstituiert (›ungeschlechtliche weiße Person‹);
6. dass die Ideen und Regeln, durch die soziale Identitäten im Westen konstruiert werden, Teil eines größeren, dem Aufklärungsparadigma verpflichteten Denk- und Organisationsmusters sind (vgl. Cox/Beale 1997; auch Schönhuth 2003).

Die UNESCO-Deklaration zur kulturellen Vielfalt von 2001 (Internetquelle) betrachtet sie als ebenso wichtig wie die Biodiversität; sie stellt einen Nutzen gegenwärtiger und künftiger Generationen dar. Kulturelle Vielfalt wird als eine der Wurzeln von Entwicklung betrachtet, wobei diese nicht allein im Sinne des wirtschaftlichen Wachstums gefasst werden soll, sondern als Weg zu einer erfüllteren intellektuellen, emotionalen, moralischen und geistigen Existenz.
Pragmatischer geht die Betriebswirtschaftslehre an den Begriff heran. Aus ihrer Sicht stellt Diversität noch keinen Wert an sich dar. Denn meist müssen für vielfältigere Möglichkeiten auch höhere Kosten kalkuliert werden. Andererseits kann es aus strategischen Gründen für ein Unternehmen auch wichtig sein, über mehrere Handlungsalternativen zu verfügen. Im Vordergrund stehen für die Betriebswirtschaftler deshalb die Fragen: Wozu wird Vielfalt benötigt? Was kostet Vielfalt? Welcher Zusatznutzen ergibt sich?
UNESCO/Kultur; Entwicklung; Intrakulturelle Vielfalt; kultureller Pluralismus

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Vielfalt, kulturelle und staatliches Handeln

Wicht (2004) unterscheidet sieben Bedeutungsgehalte von kultureller Vielfalt im modernen Nationalstaat:

a) im Sinne von Multikulturalität (typisch für die US-Politik der 1970er bis 1990er Jahre: "affirmatives Handeln gegenüber Minderheitengruppen");
b) im Sinne einer die schöpferische Vielfalt unterschiedlichster Gruppen reflektierenden Kulturpolitik (Kanada und Australien als Beispiele, in der dieser Diversity-Ansatz staatliches Handeln bestimmt).
c) im Sinne der Ausnahmestellung und dem Schutzwürdigkeit von Kulturgütern im internationalen Warenverkehr (z.B. Schutz /Förderung der einheimischer Filmindustrie);
d) im Sinne der Garantie kultureller Rechte (als dritte Säule der Menschenrechte neben den politischen und sozialen Rechten; Recht auf kult. Identität und Kulturerbe);
e) im Sinne des Schutzes von Minderheiten und Minderheitensprachen (dazu existieren im Europarat bereits Rahmenkonventionen);
f) im Sinne des friedlichen Zusammenlebens und -wirkens unterschiedlicher Gruppen unter einem föderalen Dach ("dialogischer Schweizer Ansatz" als Modell);
g) im Sinne der Nachhaltigkeits-Beziehung zwischen Kultur und Entwicklung ("Our creative diversity"; de Cuellar-Report der UNESCO 1995).

Die UNESCO-Deklaration zur kulturellen Vielfalt von 2001 (Internetquelle) betrachtet kult. Vielfalt für eine nachhaltige Entwicklung als ebenso wichtig wie die Biodiversität. Kulturelle Vielfalt wird als eine der Wurzeln von Entwicklung betrachtet, wobei diese nicht allein im Sinne des wirtschaftlichen Wachstums gefasst werden soll, sondern als Weg zu einer erfüllteren intellektuellen, emotionalen, moralischen und geistigen Existenz. Die Thematik wird auch im UNDP-Bericht über die menschliche Entwicklung von 2004 ("Kulturelle Freiheit in unserer Welt der Vielfalt") in diesem Sinne fortgeführt.
Zwischen kultureller Vielfalt und wirtschaftlicher Entwicklung ist wissenschaftlich kein eindeutiger Zusammenhang herstellbar - weder positiv noch negativ. Der Zusammenhang zwischen schwacher Wirtschaftsleistung und Vielvölkerstaat lässt sich an afrikanischen Beispielen genauso widerlegen (z.B. Mauritius), wie an asiatischen (z.B. Malaysia; vgl. UNDP 2004: 6; 177ff.). Studien belegen aber auch, dass ethnische Vielfalt Kosten verursacht, weil Regierungen vor dem Hintergrund begrenzter Ressourcen mit Ansprüchen unterschiedlichster, miteinander konkurrierender Gruppen umgehen müssen. Menschen sind anscheinend z.B. bereit, mehr für staatliche Dienstleistungen auszugeben, wenn sie mit Menschen ähnlicher Sozialkategorien (ethnisch, Klasse...) zusammenleben können (Alesiana/Spola 2003).
Auch für die UNDP ist kulturelle Vielfalt kein Wert an sich. Erst in der positiven Verbindung mit kultureller Freiheit, der Möglichkeit, eine Wahl zu treffen gewinnt sie ihre humanistische Qualität (UNDP 2004: 33).
UNESCO/Kultur; Entwicklung; Intrakulturelle Vielfalt; kultureller Pluralismus; Freiheit, kulturelle.

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Volk

"Volk ist ein emotional hoch aufgeladener Ausdruck mit stark schwankendem Inhalt. Mal ist er eher Ethnie, mal eher Nation, dann gar die ›breite Masse‹, die ›einfachen‹ Mitglieder einer Gesellschaft ["wir sind das Volk ..." ms], oder sind Träger der bäuerlichen Kultur gemeint. Der Terminus hat insbesondere im deutschen Sprachraum eine Karriere als asymmetrischer Gegenbegriff zu Staat hinter sich" (Elwert 1999b: 400).
Für Hansen (2000) besteht die Kollektivität eines Volkes aus dem Repertoire seiner gemeinsamen geistigen Ressourcen, aus dem sich die Individuen bedienen, unbeschadet der Rasse oder ethnischen Herkunft, Schicht, Geschlecht oder Individualität. Im Gegensatz zur Nation, die als eine rein politische im 19. Jahrhundert entstandene staatliche Organisationsform bezeichnet werden könne, fasst er Volk als ein Kollektiv mit "belastbarer innerer Kohäsion" auf, das auch ohne äußeren politischen Zwang zusammenhält. Dieser innere Zusammenhang gründet vor allem auf dem Faktor Zeit, der ein Mehr an kommunikativ entwickelten und dem Mitglied als Verhaltensangebot unterbreiteten Verhaltensweisen ermöglicht. Es bilden sich Gemeinsamkeiten heraus (Sprache, Rituale, Bräuche, Umgangsformen, gemeinsame Diskurse, Mentalitäten), die eine eigene Lebenswirklichkeit schaffen und transgenerationell weitergegeben werden. Dieses kulturelle Gedächtnis ist die Voraussetzung für ein Selbstbild, das bei Solidaritätsbedarf (Abgrenzung gegenüber Fremdbildern) zur Volksidentität heranreifen kann, mit entsprechend konstruierten Mythen der Volksgründung, Geschichte etc. (vgl. Hansen 2000: 225 ff.)

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Völker, indigene

Indigene Völker (im Englischen auch: ›indigenous peoples,‹ ›indigenous ethnic minorities,‹ ›tribal groups,‹ ›scheduled tribes‹) ist eine relativ junge Lehnübersetzung, wahrscheinlich vom spanischen ›Pueblos indígenas‹. In internationalen politischen Zusammenhängen ist ›Indigene Völker‹ / ›Indigenous Peoples‹ / ›Pueblos Indígenas‹ die übliche Sammelbezeichnung für Ureinwohnervölker aller Kontinente, während in nationalen Zusammenhängen oft andere Sammelbegriffe verwendet werden (z. B. Aborigines, Native Americans, First Nations, Adivasi). Die heute meistgebrauchte Definition diese Begriffs geht auf UN-Sonderberichterstatter José Martinez-Cobo zurück, der diesen 1986 an vier Kriterien knüpfte (hier in der präzisierten Form der Working Group on Indigenous Populations; WGIP 1996):

1. Zeitliche Priorität in Bezug auf die Nutzung oder Besiedlung eines bestimmten Territoriums: Indigene Völker sind relativ die ›ersten‹ Bewohner eines Gebiets.
2. Die freiwillige Bewahrung kultureller Besonderheit (voluntary perpetuation of cultural distinctiveness), die die Bereiche Sprache, Gesellschaftsorganisation, Religion und spirituelle Werte, Produktionsweisen und Institutionen betreffen kann: Indigene Völker sind kulturell deutlich von der Mehrheitsgesellschaft unterschieden.
3. Selbstidentifikation und Anerkennung durch andere als eine distinkte Gemeinschaft: Die Betroffenen müssen selbst mehrheitlich der Ansicht sein, dass sie einer distinkten Gruppe (einem Volk) angehören und dass dieses als ›indigen‹ anzusehen ist. Gleichzeitig muss diese Ansicht von anderen, etwa von Angehörigen anderer indigener Völker in nennenswertem Umfang geteilt werden.
4. Eine Erfahrung von Unterdrückung, Marginalisierung, Enteignung, Ausschluss oder/und Diskriminierung, wobei diese Bedingungen fortbestehen oder nicht: Der Grad der heute fortbestehenden Unterdrückung kann höchst unterschiedlich sein, von struktureller Benachteilung bei Aufstiegsmöglichkeiten bis hin zu Zwangsvertreibung und Ausrottung. Als Gruppe erfahrene Unterdrückung ist in jedem Fall konstitutiv für das politische Selbstverständnis indigener Völker.

Eine exklusive, ›harte‹ Definition des Begriffs ›Indigene Völker‹ kann und soll es nach Ansicht ihrer VertreterInnen, aber auch der UNO-Arbeitsgruppe über indigene Bevölkerungen nicht geben. Ein zentrales Element der Unterscheidung indigener Gemeinschaften von der nicht-indigenen Mehrheitsgesellschaft ist oftmals die besonders enge Bindung indigener Kulturen an ihr jeweiliges Territorium sowie die besonders enge Beziehung zu diesem, die zumeist auch spirituelle Dimension besitzt. (Text leicht gekürzt nach Wikipedia 2004: indigene Völker; Internetquelle).
Die Gruppe indigener Völker umfasst etwa 350 Millionen Menschen in mehr als 70 Ländern der Welt und repräsentiert mehr als 5000 Sprachen und Kulturen. Viele von ihnen leben heute am Rande der Gesellschaft und sind von grundlegenden Menschenrechten und speziell kulturellen Rechten abgeschnitten. International beschäftigen sich Organisationen wie die 1969 gegründete Survival International um die Belange indigener Gruppen (www.survivalinternational.org). In Deutschland und der Schweiz ist dies vor allem die Gesellschaft für bedrohte Völker (www.gfbv.org; bzw. www.gfbv.ch).
EZ mit indigenen Völkern setzt oft eine Analyse des rechtlichen Rahmens (etwa den Rechten der Indigenen an dem von ihnen bewohnten Land) voraus. Indigene Völker unterscheiden sich von ethnischen Gruppen oder Minderheiten durch den historischen Raumbezug, den letztere nicht notwendigerweise haben. (vgl. dazu auch das BMZ-Konzept zur Entwicklungszusammenarbeit mit indianischen Bevölkerungsgruppen in Lateinamerika 1996; BMZ-Konzepte Nr. 73). Indigene Völker oder indigene Menschen?

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Volksgemeinschaft

Nach einer Definition des Nordrhein-westfälischen Innenministeriums wird darunter "... ein streng hierarchisch gegliedertes Gemeinwesens verstanden, in dem der Staat und ein ethnisch homogenes Volk zu einer Einheit verschmelzen und in dem alle Klassen und Standesschranken aufgehoben sind. Die staatliche Führung handelt intuitiv nach dem einheitlichen Willen des Volkes, der Einzelne ordnet seine Interessen dem Wohl der Volksgemeinschaft unter. (...)
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Volksgemeinschaft als gesellschaftliches Ideal den damaligen sozialen Gegensätzen entgegengehalten. Der individualistischen und allein von wirtschaftlichem und politischem Nutzen dominierten Gesellschaft wurde die durch gewachsene Strukturen gekennzeichnete Gemeinschaft von Familie, Nachbarschaft oder Volk gegenübergestellt (Ferdinand Tönnies, 1887). (...)
Zur nationalsozialistischen Volksgemeinschaft konnte nur zählen, wer der ›arischen Rasse‹ angehörte und sich uneingeschränkt zur nationalsozialistischen Weltanschauung bekannte. Somit waren ›fremdvölkische‹ Menschen vor allem Juden von vornherein ausgeschlossen. (...)
Das wirkliche Ziel dieser Ideologie war aber nicht eine Gemeinschaft freier Individuen, sondern eine ›opferbereite Volks und Leistungsgemeinschaft‹, die mechanisch den Befehlen ihres Führers gehorcht. Bis heute berufen sich Teile des Rechtsextremismus auf die Ideologie der Volksgemeinschaft: (...)
Unverändert gewinnt die Ideologie der Volksgemeinschaft ihre Attraktivität aus dem Bedürfnis nach Geborgenheit und Zusammenhalt vor allem dann, wenn vorhandene gesellschaftliche Strukturen als anonym und seelenlos empfunden werden. Ein Gemeinwesen nach dem Prinzip der Volksgemeinschaft wäre jedoch zwangsläufig durch eine autoritäre Führung der Eliten ohne hinreichende demokratische Legitimation und die Ausgrenzung von Menschen anderer Ethnien und Andersdenkender gekennzeichnet." (Innenministerium Nordrheinwestfalen 2004).

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Vorurteile

Im Alltagsverständnis bezeichnet ein Vorurteil ausgeprägte positive und negative Urteile oder Einstellungen eines Mitmenschen, wenn diese für nicht realitätsgerecht gehalten werden und der Betreffende trotz Gegenargumenten nicht von seiner Meinung abrückt (vgl. Bergmann 2001: 3; Internetquelle).
In der wissenschaftlichen Vorurteilsforschung (v.a. Psychologie, Sozialpsychologie und Soziologie) werden darunter nur solche soziale Urteile subsumiert, die gegen anerkannte menschliche Normen verstoßen, insbesondere Normen der Rationalität (d. h. vorschnelles Urteilen), der Gerechtigkeit (Gleichbehandlungsgrundsatz nicht eingehalten) und der Mitmenschlichkeit (Intoleranz und Ablehnung des Anderen als Mitmensch, Fehlen von Empathie). "Vorurteile sind demnach stabile und konsistent negative Einstellungen gegenüber einer anderen Gruppe bzw. einem Individuum, weil es zu dieser Gruppe gerechnet wird" (Bergmann 2001: 3; Internetquelle).
Gordon W. Allport hat in seiner klassischen Arbeit "The nature of prejudice" von 1954 das Vorurteil durch folgende Merkmale charakterisiert:

1. Es ist ein voreiliges Urteil, d. h. ein Urteil, das überhaupt nicht oder nur sehr ungenügend durch Reflexionen oder Erfahrungen gestützt oder sogar vor jeglicher Erfahrung/Reflexion aufgestellt wird.
2. Es ist meist ein generalisierendes Urteil, d. h. es bezieht sich nicht nur auf einen Einzelfall, sondern auf viele Urteilsgegenstände.
3 Es hat häufig den stereotypen Charakter eines Klischees und wird vorgetragen, als sei es unwiderlegbar.
4. Es enthält neben beschreibenden oder theoretisch erklärenden Aussagen direkt oder indirekt auch richtende Bewertungen von Menschen, Gruppen oder Sachverhalten.
5. Es unterscheidet sich von einem Urteil durch die fehlerhafte und vor allem starre Verallgemeinerung.

Allport empfiehlt, Vorurteile gegenüber Personen durch gemeinsame Tätigkeiten zu überwinden. Seiner Ansicht nach reicht es nicht, nur Informationen über die betreffende Person einzuholen, da Vorurteile stärker als "Voreingenommenheit" seien. (Wikipedia 2004: Vorurteil; Internetquelle)
Bergmann betont, dass die heutige Vorurteilsforschung weniger nach der Struktur und dem Inhalt von Vorurteilen, als vielmehr nach den Funktionen dieses ›falschen‹ Denkens fragt. Nach Schmalz-Jacobsen/Hansen (1997: 246 ff.) haben Vorurteile folgende Funktionen. Sie dienen: Vorurteile werden insbesondere auch im Umgang mit ethnischen Minderheiten im eigenen Land relevant. Sie können durch Aufklärung, Information oder Begegnungen und konkrete Erfahrungen in Urteile verändert werden. Allerdings betonen Schmalz-Jacobsen/Hansen auch, dass einmalige Schulungen oder Trainings zu Vorurteilen nur zu Teilnehmern führen, die keine Vorurteile mehr zugeben. "Die dauerhafte Überwindung eines Vorurteils setzt voraus, dass eine als positiv erlebte Erfahrung mit Angehörigen einer Fremdgruppe nicht als Ausnahme interpretiert, sondern als Erwartung an alle Angehörigen dieser Fremdgruppe gerichtet werden kann" (Schmalz-Jacobsen/Hansen 1997, 246 ff.).

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Begriffe: V

Verwaltungskultur
Vielfalt, intrakulturelle
Vielfalt, kulturelle / Social Diversity / Cultural Diversity
Vielfalt, kulturelle und staatliches Handeln
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Völker, indigene
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