Gedächtnis, kulturelles
Mit dem Verständnis der Konstruiertheit von kollektiver Identität
und damit auch der eigenen Geschichte entspann sich in den neunziger Jahren
in den Kulturwissenschaften eine breite Diskussion um das kulturelle Gedächtnis
einer Gesellschaft. Nach Keller (
2003)
steht dabei im Vordergrund "... der Blick auf die Funktionsweisen der kollektiven
Erinnerungsarbeit, denn die sozialen Bedingungen des Gedächtnisses bestimmen
den Rahmen möglicher individueller Erinnerung.
Die überindividuelle Gemeinsamkeit der im kulturellen Gedächtnis gespeicherten
Wissensbestände besteht nicht darin, dass alle Individuen eines Kollektivs
über diese Wissensinhalte verfügen, sondern dass die Inhalte des kollektiven
Gedächtnisses in Form von rituellen Inszenierungen oder in Form verschiedener
Speichermedien (Texte) öffentlich zirkulieren, erinnert und verfügbar
gehalten werden" (
Wille
2003;
Internetquelle;
vgl. auch
Altmayer
2002).
Ein führender Vertreter solcher Gedächtnistheorien ist der Heidelberger
Ägyptologe Jan Assmann, der mit seinem Buch Das kulturelle Gedächtnis
1992 die erste wichtige Monographie zu dem Thema vorgelegt hat. Jan Assmann
interessiert sich dabei dafür, wie sich eine Kultur formiert, wie sich
also Individuen zu einer solchen Großgruppe vereinigen. Verkürzt
gesagt geschieht dies durch die Bildung so genannter konnektiver (also: verbindender)
Strukturen in zweifacher Richtung: Auf sozialer Ebene durch das Zusammengehörigkeitsgefühl
einer Gruppe von Zeitgenossen untereinander, in historischer Dimension durch
das Verbundenheitsgefühl mit früheren Generationen, die man als Vorfahren
deklariert" (
Keller
2003;
Internetquelle).
Das kommunikative Gedächtnis reicht in mündlichen Kulturen
nur drei bis vier Generationen weit, ihr Erinnerungshorizont wandert mit den
Generationen mit. In dem Maße wie das Zusammengehörigkeitsgefühl
bewusst und fraglich wird etwa in der Auseinandersetzung mit anderen Kulturen,
entsteht der Bedarf nach stabileren Formen der Tradierung des kulturellen Wissens.
In aller Regel erfolgt dies durch die Ausbildung der Schrift als neuem Medium.
Es entwickelt sich nach Assmann ein echtes Geschichtsbewusstsein im heutigen
Sinne. Das Mittel dazu ist eine von einer neu entstehenden Schicht von Schriftgelehrten
kontrollierte, rigide Auswahl und Tradierung der als fundierend angesehenen
Texte. Assmann selbst zeigt im zweiten Teil seines Buches anhand von Beispielen
aus den frühen Hochkulturen in Ägypten, Israel und Griechenland, wie
unterschiedlich solche Prozesse kultureller Traditionsbildung ablaufen konnten
(vgl.
Keller
2003;
Internetquelle).
Bolten bemerkt einschränkend: "Wie solche Tradierungsprozesse vonstatten
gehen, warum bestimmte Stilmerkmale zunehmend mehr Netzwerke an sich binden
und damit stärker werden und warum andere Merkmale über eine immer
geringere Bindungskraft verfügen, wird man im Einzelfall noch nicht einmal
ansatzweise rekonstruieren können. Könnte man es, wäre man in
der Lage, das kulturelle Gedächtnis einer Ethnie zu bestimmen, und das
wird auch mit den ausgefeiltesten informationstechnologischen Mitteln nicht
möglich sein" (
Bolten
2002;
Internetquelle).
zum
Seitenanfang
Gegenkultur
"Eine Gegenkultur ist eine bestimmte Untergruppe (Teilmenge) einer gegebenen
menschlichen Kultur. Im Gegensatz zur
Subkultur
stellen ihre Mitglieder die primären Werte und Normen in Frage und entwickeln
ihr eigenes System an sozialen Werten und Normen. Beispiele für solche
Gegenkulturen finden sich zum Beispiel in den Jugendkulturen des 20. Jahrhunderts:
Beatniks, Hippies, 68er Bewegung und Punks" (
Wikipedia
2004: Gegenkultur;
Internetquelle).
zum
Seitenanfang
Gender
Nach einer Weltbankdefinition bezieht sich der Genderbegriff auf die sozial
und kulturell konstruierten, Männern und Frauen zugeschriebenen Rollen
und die daraus resultierenden Beziehungen. Diese Rollen variieren zwischen unterschiedlichen
Kulturen und können sich über die Zeit ändern (
World Bank 2006).
Aus kulturwissenschaftlicher Sicht ist diese Definition in ihrer Beschränkung
auf Rollen zu eng. Dazu gehören auch Konzepte, Ideale und Funktionen.
Zur Verminderung der weltweiten Armut ist die gleichberechtigte Beteiligung
von Frauen und Männern an Entwicklungsprozessen ein zentrales Anliegen
und deshalb eine Querschnittsaufgabe der deutschen EZ (Gender Mainstreaming).
Das Gleichberechtigungskonzept steht in engem Zusammenhang mit den sektorübergreifenden
Konzepten zur Armutsbekämpfung und zum Aktionsprogramm 2015 und stellt
wie sie den Menschen in den Mittelpunkt. Die gleichberechtigte Beteiligung von
Frauen und Männern verlangt Partizipation und Zielgruppenorientierung.
Entsprechend eng ist der Zusammenhang mit dem
Partizipationskonzept.
Frauen und Männer, besonders aus armen Bevölkerungsgruppen, sollen
Akteure und Träger der Entwicklung sein (vgl.
BMZ 2001a).
Drei Fragen bilden die Grundlage, um Vorhaben auf das Ziel der Gleichberechtigung
auszurichten: Wie sieht die Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern
aus? Haben Frauen und Männer gleichermaßen Zugang zu und Kontrolle
über die notwendigen Ressourcen? Haben Frauen und Männer gleichermaßen
Einfluss auf Entscheidungsprozesse? Da besonders arme Frauen häufig von
Entscheidungsprozessen ausgeschlossen sind, weil ihre Rolle und ihr Status ihre
öffentliche Beteiligung erschweren, müssen aus der jeweiligen Kultur
heraus Wege ihrer Partizipation entwickelt werden.
Die Genderperspektive erhebt gewichtige Einwände gegen eine kulturrelativistische
Sicht, die z. B. die strukturelle Benachteiligung von Frauen kulturell begründet
(vgl. z. B.
Osterhaus 1999).
Allerdings profitiert auch die Genderperspektive davon, in sozial angepasster
und kulturell sensibler Weise vorzugehen (vgl. Gleichberechtigungskonzept des
BMZ,
BMZ 2001a).
Nirgendwo wird dies deutlicher als bei den bisherigen Erfahrungen zur Überwindung
der sog. Genitalverstümmelung. Wichtig ist deshalb das Verständnis
für dieses breitere System, in dem kulturelle Aspekte, wie etwa das Gendersystem,
eingebettet sind (vgl.
Villareal
2000).
Die kulturelle Einbindung des Gendersystems; vgl. Villareal
2000; Internetquelle
Das Genderhandbuch der DEZA (
DEZA/SDC
2003a) geht an mehreren Stellen explizit auf die Bedeutung der soziokulturellen
Dimension von Gender-Planning ein. Im Part II: Toolkit gibt es unter anderem
ein "Worksheet with Key Sociocultural Questions for Target Group Analysis".
Allerdings verstehen sie sich in erster Linie im Sinne eines sozioökonomischen
Mikrozensus auf Haushaltsebene.
zum
Seitenanfang
Genozid
Genozid (Synonym: Völkermord) bezeichnet der Wikipedia zufolge "...
die systematische und geplante Auslöschung einer bestimmten Menschengruppe,
eines Volks oder einer Volksgruppe. Der Begriff Genozid (vom griechischen
, génos, eigentlich Herkunft, Abstammung, Geschlecht (...)
wurde 1943 von dem polnischen Anwalt Raphael Lemkin (1900-1959) geprägt
für einen Gesetzesentwurf zur Bestrafung der Nazi-Verbrechen. 1944 übertrug
er den Ausdruck ins Englische als genocide. Am 9. Dezember 1948
beschloss die Generalversammlung der UNO in der Resolution 260 die Convention
on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, die am 12.
Januar 1951 in Kraft trat.
Die Bundesrepublik Deutschland ratifizierte die Konvention im Februar 1955.
Grundlage war die Resolution 180 der UN-Vollversammlung vom 21. Dezember 1947,
in der festgestellt wurde, dass Völkermord ein internationales Verbrechen
[ist], das nationale und internationale Verantwortung von Menschen und Staaten
erfordert, um der völkerrechtlichen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg
zu gedenken. Die Völkermord-Konvention ist Teil der rechtlichen Basis für
die Nürnberger Prozesse, die neue Standards im Völkerrecht setzten.
Die Konvention definiert Völkermord in Artikel 2 als eine der folgenden
Handlungen, begangen in der Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder
religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören: a) das Töten
von Angehörigen der Gruppe; b) das Zufügen von ernsthaften körperlichen
oder geistigen Schäden bei Angehörigen der Gruppe; c) die absichtliche
Auferlegung von Lebensbedingungen, die auf die völlige oder teilweise physische
Zerstörung der Gruppe abzielen; d) die Anordnung von Maßnahmen zur
Geburtenverhinderung; e) die gewalt-same Verbringung von Kindern der Gruppe
in eine andere Gruppe. Im deutschen Völkerstrafgesetzbuch (§ 6 VStGB:
vgl. Bundesministerium der Justiz;
Internetquelle)
ist die Tat entsprechend der Konvention definiert. Der Begriff des Völkermordes
wird in manchen Fällen missbraucht in politischen Konflikten wie dem Nahost-Konflikt"
(vgl. für den gesamten Eintrag
Wikipedia
2004: Völkermord;
Internetquelle).
zum
Seitenanfang
Gewalt, kulturelle
Der norwegische Friedensforscher Johan Galtung prägte diesen Begriff. Galtung
schlägt vor, immer dann von Gewalt zu sprechen, wenn eines der folgenden
Grundbedürfnisse des Menschen verletzt sei: Das Überleben, das allgemeine
körperliche Wohlbefinden, die persönliche Identität oder die
Freiheit, zwischen verschiedenen Möglichkeiten auswählen zu können.
Gewalt liege immer dann vor, wenn Menschen so beeinflusst werden, dass sie sich
nicht so verwirklichen können, wie dies eigentlich möglich wäre.
Dies nennt Galtung "strukturelle Gewalt".
Er fügt ein Beispiel an: "Eine Lebenserwartung von nur dreißig
Jahren war in der Steinzeit kein Ausdruck von Gewalt, aber dieselbe Lebenserwartung
heute (ob aufgrund von Kriegen, sozialer Ungerechtigkeit oder beidem) wäre
nach unserer Definition als Gewalt zu bezeichnen." Nachdem Galtung Ende
der sechziger Jahre zwischen der personalen oder direkten Gewalt einerseits
und der strukturellen Gewalt andererseits unterschieden hat, geht er heute einen
Schritt weiter: "Heute arbeite ich meistens mit einem Dreieck: direkte
Gewalt, strukturelle Gewalt, kulturelle Gewalt. Die strukturelle Gewalt verletzt
Bedürfnisse, aber niemand ist direkt Täter und in diesem Sinne verantwortlich.
Die kulturelle Gewalt ist die Legitimierung von struktureller oder direkter
Gewalt durch die Kultur."
Die Begriffsbildung von Johan Galtung hat nicht nur Zustimmung, sondern auch
Kritik hervorgerufen, in jüngster Zeit am heftigsten von der Gewaltkommission.
Die von der deutschen Bundesregierung eingesetzte Expertengruppe verwendet bei
ihren Untersuchungen einen engen Gewaltbegriff, in dessen Mittelpunkt Formen
des physischen Zwangs stehen. Mit dem Begriff der strukturellen Gewalt, so die
Kommission, "hat der Gewaltbegriff eine geradezu inflationäre Ausdehnung
erfahren, denn jede Art Verhinderung von menschlichen Entfaltungsmöglichkeiten
wird als Gewalt eingestuft (...). Diese eingeschränkte Definition von Gewalt
lenkt die Suche nach den Ursachen auf Mängel und Defizite in den persönlichen
Eigenschaften des Gewalttätigen und den sozialen Erziehungseinrichtungen,
denen er unterworfen ist. Politische Konflikte werden auf diese Weise in rechtliche
überführt. Diese Perspektive verhindert, Gewalt auch als Handlungsstrategie
der Gewaltausübenden, als Reaktion auf eigene Gewalt und Ohnmachtserfahrung
zu analysieren, um zu verstehen, aus welchen Gründen Gewalt eingesetzt
wird (...)" (Textauszüge weitgehend nach:
Gugel/Jäger
o. J.:
Internetquelle).
zum
Seitenanfang
Gleichberechtigungskonzept
Gender
und Kultur
zum
Seitenanfang
Global Ethics
Weltethos
zum
Seitenanfang
Global Governance
Global Governance ist eine "Art Weltordnungspolitik, die aber
nicht Weltregierung meint (government), sondern ein Bemühen
auf globa-ler Ebene mit dem Ziel, konsensfähige Lösungen für
Weltprobleme zu finden. Der Begriff wurde von der Commission for Global Governance
maßgeblich geprägt. Im Unterschied zum Regieren des Nationalstaates
verweist global governance nicht a priori auf einen definierten Handlungsträger,
sondern auf verschiedene staatliche und nichtstaatliche Akteure, die oberhalb
der nationalstaatlichen Ebene im Interesse globaler Zukunftssicherung handeln.
Der Multilateralismus im Rahmen des Systems der Vereinten Nationen gilt als
eine Form von global governance. Dieser basiert auf der Anerkennung des Primats
des Völkerrechts und der Bereitschaft des internationalen Staatensystems,
durch partielle Souveränitätsverzichte die Mandate von Organisationen
zu erweitern.
Global Governance umschreibt Regulierung und Kontrolle internationaler Beziehungen
im Rahmen von Weltpolitiken in verschiedenen Bereichen wie Weltsozial-, Welternährungs-,
Weltwirtschafts-, Welthandels-, Weltwettbewerbs-, Weltfinanz-, Weltumwelt- und
Weltfriedenspolitik. Er umreißt Regeln in globalen Politikfeldern, die
weit über die klassische Außen- und Sicherheitspolitik hinausreichen.
Weltordnungspolitik wird von Weltinnenpolitik abgegrenzt, die begriffslogisch
einen Weltstaat und eine Weltregierung voraussetzt" (
Internationale
Politik, Frieden und Entwicklung, o. J.:
Internetquelle).
zum
Seitenanfang
Globalisierung
Was unter Globalisierung zu verstehen ist, seit wann sie stattfindet und was
ihre Auswirkungen sind, darüber gehen die Meinungen innerhalb und außerhalb
der Wissenschaft extrem auseinander. Weitgehende Einigkeit besteht darüber,
dass es in der Gegenwart zu einer in diesem Ausmaß bisher noch nicht da
gewesenen weltweiten Verkettung von ökonomischen, sozialen, kulturellen
und politischen Aktivitäten kommt, und dass die Interdependenzen und Verknüpfungen
an Zahl und Intensität immer weiter zunehmen und auch komplexer werden
(vgl.
Ger 1999:
66). Tomlinson nennt dies die "complex connectivity" der modernen
Welt (
Tomlinson
1999: 2).
Beck schlägt eine Unterscheidung vor, zwischen Globalität als faktischem
und irreversiblem Ist-Zustand, Globalisierung als dem sich ständig verändernden
Prozess der Vernetzung der Welt und Globalismus als der die Globalisierung begleitenden
wirtschaftlichen Ideologie und Praxis des Neoliberalismus (
Beck
1997: 26 ff.).
Globalisierung,
kulturelle;
Lokalisierung;
Glokalisierung
zum
Seitenanfang
Globalisierung, kulturelle
Kulturelle Globalisierung besagt, dass es auch auf der Ebene kultureller Vorstellungen,
Entwürfe und Identitäten zu zunehmenden wechselseitigen Verflechtungen
und Beeinflussungen kommt. Die damit verbundene "Globalkultur" stellt
jedoch keine "Kulturschmelze" im Sinne einer
"McWorld"
dar. Sie ist eher als globales Referenzsystem zu verstehen, ein Fundus für
die unterschiedlichsten Strategien der Aneignung, des Widerstandes oder der
Interpretation sowie ein Diskussionsforum für die Thematisierung von Unterschieden
oder das Aufzeigen von Gemeinsamkeiten. Breidenbach/Zukrigl (
1998:
93 f.) zitieren in diesem Zusammenhang Wilk: "Wir werden nicht alle gleich,
aber wir präsentieren und kommunizieren unsere Unterschiede zunehmend auf
eine Art und Weise, die einander ähnelt und daher allgemein verständlich
ist" (
Wilk
1995: 11). In einzelnen Bereichen erfolgt durchaus eine Standardisierung
(und damit interkulturelle Vorhersagbarkeit von Verhalten), vor allem im technischen,
ökonomischen und politischen Bereich der Globalisierung. Im weltweiten
elektronischen Verkehr geht diese Standardisierung am weitesten, z. B. die Netiquette,
als Set universaler Verhaltensregeln und Zeichen (emoticons: :-) oder :-() im
Netzverkehr. Auch das ursprünglich westliche Ritual des gegenseitigen Schüttelns
der rechten Hand wird von einer wirtschaftlichen, politischen und intellektuellen
interkulturellen Elite inzwischen fast weltweit als Zeichen von Begrüßung,
Abschied oder Übereinstimmung erkannt und anerkannt (
Zülch
2004: 33). Trotzdem kommt es auf der Ebene der nonverbalen Zeichen, Signale
und Rituale selbst in Kreisen der professionellen Interkulturalisten zu Irritationen
(Klopfen auf den Tisch statt Klatschen als Zeichen der Anerkennung bei Konferenzen
schon außerhalb Deutschlands wenig üblich; indisches Kopfwiegen für
Zustimmung u. v. a.).
Das auffälligste Merkmal der kulturellen Globalisierung ist nach Bernd
Wagner die "Eine-Waren-Welt"; d. h. Angleichung eines Teilbereichs
des kulturellen Lebens über universelle Bilderwelten, uniforme Muster von
Popularkulturen
und gleichen Konsumgütern, die von der transnationalen Kulturindustrie
und den internationalen Konzernen in alle Weltgegenden transportiert werden.
Gleichzeitig verdrängt die westliche Kultur nicht einfach die lokale Kultur
in anderen Ländern. Entscheidend für den Einbau globaler Konzepte
in den lokalkulturellen Diskurs ist deren lokale Anschlussfähigkeit. Sie
werden dabei transformiert und uminterpretiert, also "glokalisiert"
(Robertson).
"Die Vorstellungen von der Zerstörung einer Kultur durch eine andere
basieren auf einem Verständnis, nach dem Kulturen weitgehend in sich abgeschlossene
Gebilde sind, gebunden an Orte und eine Gruppe von Menschen, eine Gemeinschaft
oder Gesellschaft, eine Region oder Nation (
Kultur
als geschlossenes System). Aber solche authentischen Kulturen, ohne
prägende Einflüsse von außen, sind eine Fiktion (...). In einer
Zeit zunehmender Mobilitäten, von Enttraditionalisierungsprozessen und
des Verschwindens räumlicher Distanzen durch die modernen Informations-
und Kommunikationstechnologien wird die Anschlussfähigkeit von kulturellen
Angeboten zum zentralen Kriterium und nicht die Bindung an generationenübergreifende
Tradition, nationale Sprache und lokale Geschichte" (
Wagner
2002;
Internetquelle).
Peter Berger (
1998)
spricht von vier Karrieren kultureller Globalisierung:
1. Die "Davos-Kultur": eine internationale Elite wirtschaftlicher
und politischer Führer (von Huntington geprägter Begriff in "Kampf
der Kulturen". (
Clash
of Cultures)
2. Die "faculty club culture": die internationale intellektuelle Elite:
academic networks, foundations, NGOs, GOs and multilateral donors (vgl.
Berger
1997).
3. McWorld: die Populärkultur (vgl. Begriff von
Benjamin
Barbers: Jihad versus McWorld 1995) und
4. der evangelikale Protestantismus ("large scale religious movements").
Die die Globalisierung vorantreibende Populärkultur ist manchmal mit dem
Diskurs der internationalen intellektuellen Elite (faculty club culture) verbunden
(z. B. Frauen, Umwelt, Menschenrechtsbewegung). Daneben spricht er von einer
lokalen Modifizierung kultureller Globalisierung (z. B. Love Parade in Berlin:
eine typisch deutsch-ernste Lokalisierung der Gay-Parade in USA). Auch
Hybridisierung
wird in diesem Kontext erwähnt, dabei geht es um die Synthese fremder und
lokaler kultureller Elemente (traits), Beispiele bieten die neue
afrikanische Kirchen, aber auch Software-Ingenieure aus dem indischen Bangalore,
die ihre Computer in Hinduzeremonien einbinden.
Alternative Globalisierungen hingegen haben ihren Ursprung außerhalb der
Westlichen Welt. Hierzu zählen z. B. die Sai-Baba- und Hare-Krshna-Bewegungen,
sowie alles, was unter das Stichwort New Age fällt. Auch islamische Bewegungen
sind hier zu nennen, die mit erfolgreichem Kapitalismus kombiniert erscheinen
wie z. B. in Indonesien. "Subglobalizations" sind Globalisierungen
regionaler Reichweite, z. B. die Europäisierung des ehemaligen sozialistischen
Ostens (vgl.
Breidenbach/Zukrigl
2002b).
Weltgesellschaft
zum
Seitenanfang
Globalkultur
Weltkultur
zum
Seitenanfang
Glokalisierung
"Globalisierungstheoretiker wie Ulrich Beck", so erläutert Ina
Sucharewicz in einem kritischen Artikel zu den Auswirkungen der Globalisierung,
"... stellten bei Überlegungen zum Einfluss der Globalisierung auf
gesellschaftliche Systeme eine neuartige Gleichzeitigkeit von Differenz und
Heterogenität fest. Die immer massivere Ausbreitung westlicher Konsumgüter
ist demnach gleichzeitig auch Auslöser für ablehnende Reaktionen.
Gerade weil weltweit die Kulturangebote immer ähnlicher zu sein scheinen,
erleben kulturelle Werte eine Renaissance. Lokale Bezüge und nationale
Traditionen werden aufgewertet und dienen der Identitätswahrung. Für
das doppelseitige Phänomen der Globalisierung bei gleichzeitiger Bekräftigung
des Partikularen, prägte der englische Soziologe Roland Robertson den Ausdruck
Glokalisierung: (...)
The relationship between the global and the local is extremely complex,
as is apparent in recent research in cultural studies, area studies and anthropology.
Conceptualizations of a global-local dialectic are particularly useful as they
create a theoretical space for reconciling cultureless analyses emphasizing
the specificity of the local with political economy approaches stressing the
universality of the global. (
)
Die Re-Lokalisierung ist mittlerweile fester Bestandteil globaler Kulturangebote
geworden, nachdem multinationale Unternehmen schmerzlich die Konsequenzen feststellen
mussten, wenn sie den Kontext ihres Absatzmarktes ignorierten. Beispielsweise
musste der Musiksender MTV Abschied von einem einheitlichen Konzept nehmen und
strahlt mittlerweile 28 regionalspezifische Sendungen aus" (
Sucharewicz
2004; vgl. auch
Robertson
1998).
Hybridität;
Lokalisierung
zum
Seitenanfang
Good Governance
Der Begriff Good Governance, gewöhnlich im Deutschen mit gute
Regierungsführung übersetzt, aber hier meist enger als "gutes
Verwaltungshandeln" verstanden, wurde "maßgeblich von der Weltbank
geprägt und (den eigenen Interessen entsprechend) operationalisiert: Gute
Regierungsführung wird an fünf Kriterien festgemacht: Rechenschaftspflicht
über die Verwendung öffentlicher Mittel (accountability), Transparenz
von Entscheidungen und Ernennungen (transparency), Berechenbarkeit des Verhaltens
von Repräsentanten des öffentlichen Sektors (predictability), ausreichende
Informationen für alle Akteure einer Volkswirtschaft (openness) und Verbindlichkeit
des bestehenden Rechts für alle (rule of law). Das Development Assistance
Committee setzt den Begriff in Beziehung zu Rechtsstaatlichkeit, Effizienz der
öffentlichen Verwaltung, Bekämpfung von Korruption und Einschränkung
exzessiver Militärausgaben" (
Internationale
Politik, Frieden und Entwicklung, o. J., Glossar;
Internetquelle).
Für manche Vertreter des Südens stellt das Good-Governance-Konzept
eine Alternative zum Demokratisierungsbegriff dar, den sie als zu eng mit westlichen
Demokratie und Modernisierungsmodellen verknüpft sehen.
Für die GTZ behandelt gute Regierungsführung "... die Frage,
wie ein Staat und seine Verwaltung Macht im Gemeinwesen legitimieren und ausüben.
Good Governance als Gegenstand der Entwicklungszusammenarbeit zielt auf die
Förde-rung und Sicherung gemeinsamer Werte und Überzeugungen einer
internationalen Zivilgesellschaft. Dazu zählen unter anderem die Teilhabe
der Bürger an öffentlichen Entscheidungen, das Gewährleisten
rechtsstaatlicher Prinzipien oder einer Marktwirtschaft. Good Governance ist
damit ein zentrales Anliegen der Entwicklungszusammenarbeit, das nur gemeinsam
mit Regierungen und deren Verwaltungen sowie Vertretern der Zivilgesellschaft
verwirklicht werden kann." Good Governance ist das Jahresthema 2004 der
GTZ (vgl.
GTZ
2004;
Internetquelle).
Im Kontext der neueren EZ bedeutet Good Governance vor allem eine Entwicklungsorientierung
der Regierung und die Reduktion von Korruption und Intransparenz.
zum
Seitenanfang
Gruppe, kulturelle
Eine kulturelle Gruppe besteht aus Menschen, die sich unbewusst oder bewusst
einem Komplex an gemeinsamen Bedeutungen, Werten, Symbolen, Interessen und Normen
zuordnen, die Ausdruck ihrer kulturellen Identität sind (Patterson, in
Glazer/Moynihan,
1975: 309). Dabei können bestimmte Kulturmerkmale als distinkt angesehen
werden, andere ignoriert oder gar negiert werden (vgl.
Barth
1969: 13 f.).
Gegenkultur;
Habitus;
Milieu.
zum
Seitenanfang
GTZ
Organisatorisch-institutionell ist das Thema Kultur in der Zentrale der GTZ
derzeit noch wenig verankert (vgl.
Dümcke
2003: 24). Ein Querschnittsbereich "Kultur" (wie z. B. "Gender")
existiert in der GTZ nicht, ebenso wenig ein Kulturbeauftragter, eine Fachgruppe
oder ein Beirat für Kulturfragen - wie teilweise in internationalen bilateralen
EZ-Agenturen (
Zusammenarbeit,
internationale). Allerdings gibt es seit 2001 mit einer Eigenmaßnahme
zu Kultur und Entwicklung ein erstarktes Interesse, das Thema zu mainstreamen,
wobei insbesondere die verstärkte Inwertsetzung der
interkulturellen
Kompetenz der eigenen Mitarbeiter, die Erstellung kultursensibler
Dienstleistungen Pushfaktoren darstellen. Auf der operationellen Ebene
gibt es seit Anfang der 1990er Jahre bis heute zahlreiche Aktivitäten zu
Kultur und Entwicklung (vgl.
Schönhuth
2004b).
Die "Grundsätze der Führung und Zusammenarbeit in der GTZ"
im GTZ-Intranet sind mit einem Verweis auf einen vorsichtigen Umgang in einem
anderen kulturellen Kontext versehen. Sie empfehlen eine vertiefte Auseinandersetzung
über die interkulturelle Zusammenarbeit und das interkulturelle Management
in Projekten.
Das Berliner Büro fungiert mit Projekten vor allem im klassischen Kultursektor
zunehmend als kulturelle Bühne der GTZ (
Dümcke
2003: 24). Mit dem neuen
Auftragsrahmen
zwischen BMZ und GTZ gibt es seit 2003 ein neues Instrument zur Operationalisierung
soziokultureller Faktoren in Projekten und Programmen.
zum
Seitenanfang