Überschneidungssituationen,
kulturelle
Der Begriff wird vor allem im Rahmen der interkulturellen Pädagogik gebraucht,
um Situationen zu beschreiben, in denen Mitglieder verschiedener Kulturen aufeinander
treffen. Kontexte solcher Überschneidungssituationen sind nach Kiel (
2001)
Übergangsgesellschaften, multikulturelle Gesellschaften, die vielfältigen
Formen von Kulturaustausch und insgesamt die vielfachen kulturen-, staaten-
und regionenübergreifenden Verflechtungen im Rahmen des Globalisierungskontextes.
"Manifestationen solcher Verflechtungen sind internationale Organisationen
wie UNO oder UNESCO, regionenübergreifende Verträge wie etwa das Welthandelsabkommen
der Gatt-Verträge, weltweit agierende Wirtschaftsunternehmen wie etwa IBM,
aber auch internationale Organisationen wie Greenpeace oder World-Watch, die
sich bemühen, drohenden globalen Umweltkatastrophen entgegenzuwirken."
(
Kiel 2001;
Internetquelle)
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UNESCO
Die 1945 gegründete United Nations Educational, Scientific and Cultural
Organization (Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft
und Kultur mit Sitz in Paris ist eine der 16 eigenständigen Sonderorganisation
der Vereinten Nationen (UNO). Die UNESCO ist die internationale Institution,
die sich schon "ex officio" am stärksten mit Fragen von Kultur
und Entwicklung auseinandersetzt. Sie beeinflusst quantitativ wie qualitativ
maßgeblich die Diskussion in diesem Feld. Retrospektiv betrachtet, lassen
sich in den Dokumenten vier formative Phasen der UNESCO-Politik zu Kultur und
Entwicklung unterscheiden (vgl.
Stenou
2004):
- Nachkriegsphase (1946-1950er): Bildung und Wissen als Schlüssel zur
internationalen Friedenssicherung. Kultur wird dabei vor allem als Teil
einer (universalen) Bildung und im Zusammenhang mit Kunst-/ Kulturproduktion
betrachtet.
- Dekolonialisierungsphase / Kalter Krieg (Ende 1950er - Mitte 1960er):
Die Bildung neuer unabhängiger, und in der Phase des Kalten Kriegs
selbstbewusst auftretender Nationalstaaten (z.B. Blockfreie) erweitert die
Perspektive auf Kultur in einem holistischen Sinne (kulturelle Identität)
und macht sie gleichzeitig zum Teil von nationaler Identitätspolitik.
- Kultur und (wirtschaftliche) Entwicklung (ca. 1966 - Ende 1970er): Das
von nichtwestlichen bzw. blockfreien Staaten eingeforderte Recht auf eigene
Entwicklungswege führt erstmals zur Forderung eines "Rechts auf
Kultur" und verknüpft explizit die ökonomische und die ästhetische,
bildungsorientierte Seite von Kultur. Das Recht auf kulturelle Identität
und damit auch kulturelle Verschiedenheit wird nun auch erstmals für
Personen und Gruppen innerhalb von Nationalstaaten eingefordert - ein Novum
für eine internationale Organisation.
- Menschenrechte und multikulturelle Gesellschaften (1980er - 1990er): Die
Folgen der Globalisierung rücken zunehmend den Schutz kultureller Vielfalt
und des kulturellen
Pluralismus innerhalb von Nationalstaaten in den Fokus.
Die Entwicklung in den 1990ern hält im Prinzip bis heute an und hat zu
weiteren Meilensteinen geführt, von denen die vielleicht wichtigsten der
Report "Our creative Diversity", der Weltkommission "Kultur und
Entwicklung 1996, die Weltkonferenz "Kulturpolitik für Entwicklung"
(
Mondiacult)
1998 in Stockholm, und schließlich die am 2. November 2001 in Paris verabschiedete
"Allgemeine Erklärung zur kulturellen Vielfalt" sind.
"Our Creative Diversity" thematisiert systematisch Entwicklung in
ihrem kulturellen Kontext, und plädiert für eine kulturorientierte
Entwicklungspolitik wie auch für eine friedens-, entwicklungs- und sozialpolitische
Orientierung der Kulturpolitik. In der "Allgemeinen Erklärung zur
kulturellen Vielfalt" (
UNESCO
2001;
Internetquelle)
wird das Verhältnis zwischen Kultur und Entwicklung neu gefasst
kulturelle
Vielfalt dabei in bewusster Analogie zur biologischen Vielfalt der Natur
als gemeinsames Erbe der Menschheit und als eine der Voraussetzungen für
Entwicklung beschrieben.
Am 20.Oktober 2005 schließlich hat die UNESCO-Generalkonferenz ein mit
bemerkenswerter Geschwindigkeit und Einmütigkeit entwickeltes "Übereinkommen
zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen"
verabschiedet (
Internetquelle).
Das Übereinkommen schafft unter anderem eine völkerrechtlich verbindliche
Grundlage für das Recht aller Staaten auf eigenständige Kulturpolitik.
"Kernstück des Übereinkommens ist das Recht eines jeden Staates,
regulatorische und finanzielle Maßnahmen zu ergreifen, die darauf abzielen,
die Vielfalt der kulturellen Ausdrucksformen auf seinem Staatsgebiet zu schützen"
(
Merkel 2006).
Eine bedeutende Leistung liegt darin, dass kulturpolitische Ziele erstmals mit
internationalen Handelsabkommen (zum Beispiel dem Allgemeinen Abkommen zum Handel
mit Dienstleistungen / GATS) in Einklang gebracht werden können. Es hat
auch zu einer neuen Dynamik in der Diskussion um die Bedeutung von Kunst und
Kultur in der Entwicklungszusammenarbeit geführt (
Kultur
und Entwicklung; vgl. auch Deutsche
Deutsche UNESCO-Kommission
2006).
Zur Kritik der UNESCO-Definitionen von Kultur vgl.
Mondiacult.
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